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very british...

Radtour Island, September 2013

10. September - was für ein herrlicher Morgen, ganz ohne Wolken, sogar der Wind hat nach gelassen. Ich backe mir eine große Tüte Fladen, Wasser habe ich aus meinem Bach ja gleich vor der Tür. Die ganze Prozedur dauert ein wenig, ich frühstücke ausgiebig, aber dann möchte ich doch weiter fahren. Als ich mein Zelt abbaue und nach Süden blicke ... Ach Du Sch ...! Am südlichen Horizont sehe ich so etwas wie einen ganz feinen Silberstreifen. Und solch ein feiner Silberstreifen kann ganz übles Wetter bedeuten, das habe ich in Skandinavien schon zur Genüge erlebt.

Zunächst bleibt es schön. Die Sonne scheint, der Wind nimmt zwar schon zu, aber es geht einige Kilometer gut vorwärts. Allerdings hat der Silberstreifen schon an Breite zugenommen, ein untrügliches Zeichen für eine Schlechtwetterfront. Als ich anhalte, um ein Foto zu machen, sehe ich von Norden einen Geländebus kommen. Huch, denke ich, was will der denn hier, und gehe an die Seite, damit der Bus an mir vorbei fahren kann. Der Bus fährt nicht an mir vorbei, sondern er hält genau neben mir.

Das Fahrerfenster öffnet sich, und der Busfahrer blickt mit finsterer Miene, fragt: "Kennst Du den Wetterbericht?". Ich kenne den Wetterbericht nicht, aber nun meine ich ihn schon allein durch diese Frage ableiten zu können.
Der Busfahrer klärt mich auf ..., "Das, was da von Süden kommt und sich uns schnell nähert, ist ein Sturm. Es wird auf jeden Fall hoch hergehen, vielleicht mit viel Schnee. Letztes Jahr zur gleichen Zeit hat es hier 2m Schnee gegeben, und dieser Schnee ist erst im Mai wieder getaut. Tausende von Schafen waren in diesem Wintereinbruch gestorben. Es ist besser, wenn Du Dein Rad in den Bus trägst und mit uns kommst!"

Ähm ja, das ist eine Ansage. Was soll ich nur tun? Ich bin vor allem nach Island gekommen, weil ich diese Sprenginsandur fahren wollte. Der Busfahrer ruft zwischenzeitlich beim Wetterdienst an. Im Bus herrscht so eine Art Aufruhrstimmung, anscheinend bin ich nun die Topattraktion des Tages. Ich kann da nicht einsteigen, dann war ja alles umsonst, ich möchte diese Nord- Südquerung aus eigener Kraft schaffen, und ausserdem werde ich zum Ende 100 Millionen Fragen beantworten müssen, wenn ich in den Bus einsteige. Nein, das geht gar nicht!

Der Busfahrer bestätigt nun noch mal ..., "Es kann schlimm kommen, wie schlimm, weiß niemand. Überleg es Dir zwei, drei Minuten, wir nehmen Dich mit, wenn Du willst." Sorgenvoll guckt der Fahrer auf seine Uhr, auch er will mit seinem Bus nicht in einen Wintersturm geraten. Ich ringe mit mir, ich fahre nicht motorisiert über das Hochland ..., und sage dann schließlich ... "Ich komme mit Euch!". Die Sache wird zu heikel. Dass es übel kommen kann, sehe ich selbst, fahre ich im nächsten Jahr halt noch mal über das Nordmeer zum Eiseland ...

Schnell sind meine Sachen in den Gepäckfächern des Busses verstaut. Das Rad kommt in den Gang des Busses. Setz Dich wohin Du wlllst, meint der Fahrer, der zufälliger Weise den gleichen Namen trägt wie ich, Tore. Die letzte Bank ist fast noch frei, also setze ich mich dorthin. Ein Herr, den ich auf etwa 75 Jahre schätze, sitzt dort schon. "Wie heisst denn Du", frage ich? "Ich bin Melkom", antwortet er erheitert. "Woher kommt Ihr?" "Wir kommen von der gesamten Insel", also England, Wales und Schottland. Die anderen Insassen des Busses sind in etwa in Melkoms Alter, z. T. ein wenig jünger, und ab sofort darf ich mich als echtes Mitglied einer britischen Reisegruppe im besten Alter fühlen ... coool!

Melkom und ich erzählen uns unsere groben Pläne, doch schon bald fingert Melkom irgenwo unter seinem Sitz Richtung unserer schottischen Vordernachbarin herum. Er holt eine Schatulle hervor und öffnet sie. Nun gilt es Bilder zu begutachten. "Das war 1970, als ich in einer dänischen Baumschule gearbeitet habe", erzählt Melkom. Aha ..., "tolle Bilder", meine ich, und sage weiter, "1970 entspricht in etwa meinem Geburtsjahr". Ho, ho, ho ..., da ist das Gelächter groß, und ich lache mit ...

Bald kommen wir nach Nýidalur, Pausenzeit. Wir können uns die Beine vertreten und es gibt Sandwiches mit Saft. "Iß soviel Du magst", heisst es, und ich halte mich daran, lecker! Wir können einen kleinen Rundgang machen, auf dem ich dieses Bild knipsele. Dann geht es weiter, und schon kurze Zeit später klatscht kalt der Schneeregen gegen die Scheiben des Busses. Es scheint sich um eine Art Studienreise zu handeln, ab und an hören wir vom Reiseleiter etwas zur Geologie des isländischen Hochlands. Wir fahren über übelstes Waschbrett. Tore (der Fahrer) brummelt etwas wie bad, bad road. Es rappelt und kracht nur so im Bus, und der Schlamm läuft die Scheiben herunter. Melkom strahlt bis über beide Ohren und in königlich britischem Akzent lacht er ..."what a fantastic adventure!" Was würde ich darum geben, ihm in diesem Moment eine edle Porzellantasse mit schwarzem Tee und ein feines Pfefferminzblättchen mit hauchzart zartbitterem Schokoladenüberzug reichen zu können.

Ich bin einerseits enttäuscht, dass ich in diesem Bus sitze. Andererseits ist es angenehm warm, die Briten sind total nett zu mir, und es ist ein Trost für mich zu sehen, wieviel Freude die Herrschaften an dieser Reise haben. Zum Abend haben wir das gröbste geschafft und stoßen bei Hrauneyjar auf asphaltierte Straße. Wir halten an einer Art Tankstellenrestaurant an. Ab hier fahre ich mit dem Rad weiter, beschließe ich. Die Briten verabschieden sich per Handschlag von mir, besonders herzlich Melkom und Tore der Busfahrer.

Weiter geht es mit dem Rad. Als ich einige Kilometer gefahren bin, überholt mich der Bus der Briten mit lautem Getöse, und alle sitzen an den Fenstern und winken mir zu. Ich bin durchaus gerührt von diesem Moment, wie überhaupt von diesen Kilometern mit dem Bus, Melkom & Co. Ich biege links ab, wieder auf eine Schotterstraße, der 26, Richtung Hella. Nach weiteren 10 bis 15 Kilometern suche ich mir einen Zeltplatz. Es gibt kein Wasser, nur schwarzen Sand, Lavasteine und ein paar Strandhafer.

Als ich alles aufgebaut habe, ist es beinahe dunkel, zumindest sehr, sehr finster bewölkt, aber gerade trocken. Nach einem kleinen Abendbrot lege ich mich in den Schlafsack und schlafe ein. In meinen Träumen erscheint ein Gespensterlein. Es ist Melkom..., und er lacht und ruft ...
"what a fantastic adventure!"... very british ... ;-)

sonnenuntergangsspektakel-pueueueiih.jpg Sprenginsandur.jpg Sternchenzelter-im-Eiseland.jpg sturmumtost-im-Eiseland.jpg very-british.jpg

Kontakt:

Tore Straubhaar
Lütmarser Tal 30
37671 Höxter

Tel.: 05271 37042
e-mail: tore@tores-art.de

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